Das Phänomen „Zoom Fatigue“

Zoom, Teams und Co gehören für viele seit nun mehr einem Jahr zum Berufsalltag. Doch warum sind wir nach einem Tag Homeoffice mit kurzen Wegen und wenig Ablenkung durch Kollegen oft so erschöpft? Videokonferenzen machen müde, weil die damit einhergehende Situation dem Menschen Schwierigkeiten bereitet.

 

Auf der Website des Softwareentwicklers t2informatik sind einige der Gründe kompakt zusammengefasst:

  • Es besteht fast keine Möglichkeit, mentale Pausen einzulegen. Die Teilnehmenden sind innerhalb der Session „always on“.
  • Die Tonqualität ist oftmals nicht gleichbleibend gut, so dass einzelne Worte oder ganze Sätze „verloren gehen“. Das erfordert ein besonders aktives Zuhören.
  • Die Bildqualität ist ebenfalls nicht gleichbleibend gut. Auf einmal wird das eigene Bild verpixelt übertragen oder andere Bilder kommen nur noch verpixelt an. Dies führt zu Fragen zur eigenen Internetverbindung, zu „technischer Betriebsamkeit“ und manchmal auch direkt zu Frust der Betroffenen.
  • Die Latenz der Übertragung erschwert die Kommunikation. Menschen sind es gewohnt, auf eine Frage eine Antwort zu erhalten. Die Latenz verzögert die Antwort. Es kommen Nachfragen, Zwischenrufe und Unterbrechungen.
  • In manchen Situationen gelingt es einigen Teilnehmenden nicht einmal, sich an den entsprechenden Tools anzumelden, oder die Sessions werden nicht bzw. erst mit Verzögerung geladen. Dies führt oft zu einem erhöhten Stresslevel der Betroffenen.
  • Die Umgebung im Online-Meeting lenkt ab. Ein Kind, dass im Hintergrund laut ruft, der Mann, der durch das Bild läuft, das Licht, das blendet. Alles wird übertragen, alles ist für alle Teilnehmenden „neu“, alles erfordert Aufmerksamkeit.
  • Je mehr an einer Session teilnehmen, desto mehr Gesichter sind parallel zu sehen. Das menschliche Auge erfasst jede Bewegung, das Gehirn versucht jede Information zu verarbeiten. Das ist schnell ermüdend.
  • Spricht ein Teilnehmer, wird – je nach Tool und Einstellung – dessen Video hervorgehoben, also bspw. groß eingeblendet oder zumindest umrandet. Permanent wechselt das Bild zwischen den Sprechenden. Auch das ist anstrengend.
  • Viele Menschen sind es nicht gewohnt, sich selbst dauerhaft im Bild zu sehen. Bei manchen Menschen führt das zu mehr Kontrolle der eigenen Verhaltensweisen, bei anderen zu übertriebenen Gesten oder permanenter Mimik.
  • Die Kommunikation auf Augenhöhe ist praktisch unmöglich. Wer anderen in die Augen sehen möchte, muss in die Kamera blicken, kann dabei die anderen Teilnehmer bestenfalls noch peripher auf dem Monitor sehen. Blickt man  auf den Monitor ist es aber – zumindest mit der heutigen Technik – nicht möglich, den anderen Teilnehmern in die Augen zu sehen. Somit befinden Sie alle Teilnehmer in einer Art Zwickmühle.

In einem Artikel des Handelsblatt vom 15.07.2020 wird der Verhaltensforscher und Professor an der Wirtschaftshochschule Insead, Gianpiero Petriglieri zitiert: „Videochats bedeuten, dass es uns schwerer fällt, nonverbale Hinweise wie Mimik, Stimmlage oder Körpersprache zu lesen. Darauf stärker achten zu müssen verbraucht eine Menge Energie.“ Gleichzeitig können wir nicht kurz unaufmerksam sein, weil wir immer die Sorge haben müssen, dass uns jemand dabei beobachtet. Zwar sind wir nach den ganzen TV-Jahrzehnten durchaus daran gewöhnt, auch länger auf bewegte Bilder auf einem Bildschirm zu schauen, aber das war reiner Konsum. Eine Videokonferenz mit vielen Leuten sei „wie fernzusehen, und der Fernseher schaut zurück“, sagte Petriglieri im Interview.

Auch wenn die Taktung der Video-Konferenzen Post Corona wieder abnehmen wird, der Video-Calll wird bleiben und weiterhin zu unserem Alltag gehören. Schließlich sind sie praktisch und für die ein oder andere Gelegenheit eine gute Alternative zum physischen Meeting.

 

Mit einigen Maßnahmen lassen sich die negativen Aspekte aber auch abmildern:

  • Macht Pausen! Auch bei digitalen Veranstaltungen sollten einzelne Sessions eine Dauer von 30-45 Minuten nicht überschreiten. Aktive Pausengestaltung hilft sich wieder neu zu konzentrieren.
  • Die technische Ausstattung und einige Kniffe erzeugen bei Online Meetings mehr Ruhe und Fokus. Seht Euch hierzu doch einmal unsere 5 Tipps für noch bessere Online Meetings im Homeoffice an.
  • Pointiert gewählte und wirklich aktivierende Interaktion einbauen ohne zu viel zu wollen.
  • Sitz- und Stehposition optimieren, Wechsel der Position zwischen mehreren Meetings einbauen.
  • Telefonate statt Videocalls einplanen. Wer telefoniert ist freier und beweglicher und damit weniger gestresst. Warum nicht einen Spaziergang in ruhiger Umgebung mit einigen Calls verbinden?

Mit einem ausgewogenen Verhältnis an digitalen Tools und klassischen Meetings, einfachen Telefonaten und digitalen Konferenzen werden wir die Zukunft auch nach Corona effektiver und interaktiver gestalten können. Wir lernen heute jeden Tag für unsere Zukunft. Und in diesem Sinne: Geht doch einfach zwischendurch mal offline.

Quellen:

https://www.handelsblatt.com/technik/digitale-revolution/digitale-revolution-zoom-fatigue-warum-uns-videokonferenzen-auslaugen/26002264.html

https://t2informatik.de/wissen-kompakt/zoom-fatigue/

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